2008/2009: Frauen und Gewalt

Dr. Maria Katharina Moser: Zwischen Opfer und Täterin

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Zusammenfassung

Der Begriff Opfer hat eine enorme Medienpräsenz. Ursprünglich ein religiöser Begriff, wird er heute jedoch vor allem für ein ohnmächtiges Erleiden fremder Gewalt oder eines unbeeinflussbaren Schicksals verwendet. Eine Opfer-Rede in diesem Sinn mobilisiert Solidarität und verspricht moralisch klare Verhältnisse – sie lässt jedoch keinen Raum für Handlungsfähigkeit, Selbstbewusstsein und Subjektivität der Opfer.

Um angemessen von Opfern zu reden, ist es hilfreich, die dichotome Spaltung in völlig machtloses Opfer und allein verantwortlichen Täter zu dekonstruieren, den Fokus auf die Begrenztheit der Opfer-Situation zu legen (im Gegensatz zur Permanenz von Opfer-Rolle und Opfer-Identität) und das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten: Neben der Perspektive des Täters und der Perspektive des Opfers eröffnet die Perspektive der verantwortlichen Handelnden Zukunftsorientierung und Raum für andere Beziehungen. Denn um Opfer-Situationen zu überwinden, braucht eine betroffene Person nicht nur Möglichkeiten verantwortungsvoll zu handeln, sondern auch die Wahrnehmung und Unterstützung der Gesellschaft.

Dr. Andrea Lehner-Hartmann: Gewalt an Frauen: Frauen in der Kirche

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Zusammenfassung

Traditionelle Familienideologien mit ihrem Festhalten an hierarchischen Geschlechter-verhältnissen und am Verfügungsrecht von Männern über Frauen und Kinder erlauben es Männern, Macht über andere nötigenfalls mit Gewalt auszuüben. Solange die Kirche diese Ideologien nicht in Frage stellt, stärkt sie Gewaltverhältnisse, ohne es zu wollen. Entscheidend ist das Verständnis von Leid, Sünde und Vergebung: Feministische Theologie sieht den Verzicht auf Selbstbehauptung als eine spezifisch weibliche Sünde, setzt auf ein Überwinden von Leid (statt es zu idealisieren) und fordert Einsicht und Wiedergutmachung der Täter als Voraussetzung für Vergebung und Versöhnung.

Die röm.-kath. Amtskirche Österreichs hat sich zum Thema Gewalt an Frauen noch nicht offiziell zu Wort gemeldet. Ein 1999 von der Konferenz europäischer Kirchen verfasster Begleitbrief wurde in österreichischen röm.-kath. Kirchen nicht verlesen. 2008 wurde ein Poster zum Thema Gewalt entworfen, das von den Entscheidungsträgern diskutiert, entschärft und bisher noch nicht „abgesegnet“ wurde.

Mag.a Maria Rösslhumer: Gewalt an Frauen ist kein Einzelschicksal, sondern ein gesellschaftspolitisches Problem

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Zusammenfassung

Gewalt gegen Frauen ist die häufigste und schwerste systematische Menschenrechts-verletzung unserer Zeit. 20–25% aller Frauen sind im Erwachsenenalter von körperlicher Gewalt betroffen. Frauenhäuser sind Schutz- und Sicherheitseinrichtungen für diese Frauen. Es gibt heute in Österreich 30 Frauenhäuser; 26 davon gehören dem Verein autonomer österreichischer Frauenhäuser an und sind folgenden Prinzipien verpflichtet: Parteilichkeit für die Frauen, es wird ihnen keine Mitschuld oder Beteiligung unterstellt, Stärkung der Frauen hin zur Selbstständigkeit, Anonymität, Geheimhaltung der Adressen, Schutz und Sicherheit. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser sind vorwiegend Sozialarbeiterinnen.

Die Opferschutzbestimmungen sind in Österreich relativ gut. Wegweisungen und Betretungsverbote werden zunehmend genutzt. Mit 1. Juni 2009 wird das bestehende Gewaltschutzgesetz novelliert, dabei werden u.a. Schutzfristen verlängert.

Mag.a Claudia Brunner: Female Suicide Bombing

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Zusammenfassung

Claudia Brunner untersuchte anhand wissenschaftlicher Publikationen, wie die Terrorismusforschung mit dem Thema Selbstmordattentäterinnen umgeht: Die untersuchten Publikationen zeigen sich stark geprägt von der hegemonialen Verfasstheit der Wissensproduktion. Das Bemühen um eine neutrale Darstellung wird zu Gunsten einer Bekämpfungsperspektive vernachlässigt. Sozialwissenschaftliche Standards, z.B. betreffend die Überprüfbarkeit von Quellen oder bei der Verwendung von Bildmaterial, werden nicht konsequent eingehalten. Aus feministischer Sicht fällt der Gebrauch körperbezogener, sexualisierter Metaphern auf; außerdem werden einer Attentäterin andere Motive unterstellt als einem Attentäter: Frauen werden häufig als persönlich motiviert, verführt und fehlgeleitet (und somit als Opfer) dargestellt, Männer hingegen als politisch motiviert. Eine (angebliche) Geschlechtergerechtigkeit im hegemonialen Hier wird im Gegensatz zu einem orientalisierten Patriarchat gesehen, Selbstmordattentäterinnen werden mit einem fehlgeleiteten Feminismus in Zusammenhang gebracht.  Viele Publikationen fokussieren außerdem stark auf den Israel-Palästina-Konflikt, andere, gewaltsam ausgetragene Konflikte werden vernachlässigt.

Renate Welsh-Rabady: Sprachlosigkeit

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Zusammenfassung

Mit Hilfe dreier Übungen aus dem Methodenschatz ihrer Schreibwerkstätten befassen wir uns mit dem Thema Sprachlosigkeit. Bei der ersten Übung arbeiten wir mit Wörtern, bei der zweiten mit einzelnen Sätzen und bei der dritten sprechen wir in Kleingruppen über vorgegebene Fragen, suchen Antworten und formulieren diese. Alle entstandenen Texte – Wörter, Sätze und Antworten – werden zweimal laut vorgelesen, wir üben uns im achtsamen Zuhören. Unser Zuhören kann anderen aus ihrer Sprachlosigkeit heraushelfen.

Dr. Jaleh Lackner-Gohari und DI Mehrzad Hamzelo: Frauen in Iran, heute

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Im Rahmen eines Symposions (das mit der Unterstützung des Öst. Außenamtes und unter Mitbeteiligung der Vereine Das Iranische Wien, Plattform ProFrau und der österreichischen-iranischen Gesellschaft Anfang Oktober 2008 in der Diplomatischen Akademie stattfand) berichteten fünf in Iran tätige Expertinnen aus verschiedenen Bereichen über ihre Arbeitsbedingungen und zugleich ihr zivilgesellschaftliches Engagement zugunsten der Verbesserung der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung von Frauen in Iran.

Damit wurde auch zugleich ein Bild dieses Landes gezeigt, das in den westlichen Medien kaum vorkommt: über Iran wird heute vor allem im Zusammenhang mit dem Konflikt um das Atomprogramm berichtet, die aktuelle zivilgesellschaftliche Entwicklung findet kaum Beachtung. Dabei hat sich in den letzten Jahren eine Wende der zivilgesellschaftlichen Entwicklung (zumal der Frauenbewegung) eingestellt, die in völlig neuartiger Weise versucht, mit sanfter Bestimmtheit die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Frauen in Iran nachhaltig zu verändern – trotz schwieriger Bedingungen, die ihr Leben seit Jahren bestimmen. Nach dem Vorbild einer erfolgreichen Kampagne in Marokko läuft seit fast 2 Jahren nun auch in Iran eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften um die gesetzliche Gleichstellung der Frauen zu erwirken. Doch das eigentliche Anliegen der Aktion ist der damit verbundene Veränderungsprozess des gesellschaftlichen Bewusstseins in allen Schichten der Bevölkerung: das Schicksal verantwortungsbewusst selbst in die Hand zu nehmen und an der Veränderung aktiv zu arbeiten; Aufklärungsarbeit im Dialog und das Thematisieren der zivilgesellschaftlichen Anliegen und der rechtlichen Situation.

Mag.a Alexandra K. Elbling und Mag.a Ursula E. Gamauf, M.A.: Frauen zwischen Krieg und Frieden

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Das Friedenszentrum Burg Schlaining umfasst das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung ÖSFK, die Friedensbibliothek, das European University Center for Peace Studies EPU und das Österreichische Friedensmuseum. Hauptziele der Arbeit am Friedenszentrum sind Friedensforschung, Konflikttransformation und Friedenserziehung.

Die besondere Rolle von Frauen in bewaffneten Konflikten war Gegenstand eines Pilotkurses am Friedenszentrum. Zu den Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Frauen zählen u.a. physische und psychische Gewalt, die Alleinverantwortung für die Versorgung der Familie unter schwierigsten Bedingungen, Vertreibung, Plünderungen, das Leben in Flüchtlingslagern und vor allem permanente Angst um Leib und Leben, um das eigene und das der Angehörigen. Wichtig ist, Frauen bei allen Frieden schaffenden und Frieden erhaltenden Maßnahmen einzubeziehen; Friedensprozesse beinhalten eine große Chance auf gesellschaftliche Veränderungen, die im Interesse der Frauen genutzt werden kann.

Dr. Cecilia Heiss: Psychische Folgen von Gewalterfahrung / Verein Hemayat

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Zusammenfassung

Ein „traumatisches Ereignis“ liegt vor, wenn eine lebensbedrohliche Situation oder eine andere Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit für sich selbst direkt erlebt oder beobachtet wird und mit intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen verbunden ist. Diese Extremsituation führt häufig zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung, einer Krankheit mit typischen Symptomen wie Wiedererleben der traumatischen Situation, Schlafstörungen, heftige Reizbarkeit, vermindertes soziales Interesse und Selbstverletzungen. Die Situation für AsylwerberInnen in Österreich bedingt zusätzlichen Stress und Unsicherheit, bietet also kaum Rahmenbedingungen, die psychischen Folgen von Gewalterfahrungen zu bewältigen. Der Verein „Hemayat“ bietet medizinische, psychische und psychotherapeutische Hilfe für Folter- und Kriegsüberlebende an. Ziel der Therapie ist die Stabilisierung und Hinwendung zur Zukunft. Hemayat leistet wichtige Arbeit als Basis einer besseren Integration dieser Personen, die Finanzierung ist derzeit jedoch gefährdet.

Univ. Ass. Mag. Dr. Barbara Preitler: Frauen im Krieg am Beispiel Sri Lanka

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Sri Lanka ist seit Jahrzehnten Schauplatz eines Bürgerkriegs zwischen der Mehrheits-bevölkerung der SinghalesInnen und der zweitgrößten Volksgruppe der TamilInnen, dem bisher über 70.000 Tote und 60.000 Verschwundene zum Opfer gefallen sind. Darüber hinaus wurde das Land im Dezember 2004 vom Tsunami schwer getroffen: 40.000 Menschen kamen durch diese Naturkatastrophe ums Leben, 5.000 sind bis heute vermisst. Die Zivilbevölkerung führt ein enorm schwieriges Alltagsleben, etwa 1 Mio. Menschen sind Flüchtlinge im eigenen Land – bei einer Gesamtbevölkerung von 20. Mio. Viele Menschen sind traumatisiert, oft sowohl durch den Krieg als auch durch den Tsunami. Die lokale Hilfsorganisation CPC Centre for Psychosocial Care unterstützt traumatisierte Menschen und hat in Kooperation mit der Universität Klagenfurt einheimische junge Frauen und Männer aller Volksgruppen und Religionen erfolgreich zu TraumaberaterInnen ausgebildet.